„Corporate-Portale verstehen bis heute nicht, wie persönlicher Service funktioniert“

Interviewpartner Mario Köpers von KC3 GmbH

Die Inhaber vom Lufthansa City Center ALR Business Travel sehen klassische TMC wegen ihrer hohen Beratungskompetenz gerade jetzt im Vorteil

Die Atlantik-Luft-Reederei (ALR) wird in diesem Jahr 70 Jahre alt. Erst vor wenigen Monaten wechselte das Unternehmen von BCD Travel zu Lufthansa City Center. Der Franchiseverbund wurden in diesen Tagen zum wiederholten Mal von der WirtschaftsWoche und dem Institut für ServiceValue zum besten Corporate-Travel-Anbieter des deutschen Mittelstands ausgezeichnet. Mit fünf großen Filialen in München, Kempten, Stuttgart, Solingen und Jena sowie einem Jahresumsatz von gut 100 Millionen Euro gehört ALR zu den größten inhabergeführten Reisebüros in Deutschland. Namhafte globale Unternehmen gehören ebenso wie der deutsche Mittelstand zum Kundenkreis. Insgesamt lassen mehr als 1.400 Firmen ihre Geschäftsreisen von den Business-Travel-Experten der ALR organisieren.

Allen Unkenrufen zum Trotz kommt die Geschäftsreise seit einigen Monaten mit großen Schritten zurück. Was ist anders als vor der Pandemie? Werden vollautomatisierte Start-ups die klassischen TMC verdrängen? Wie wichtig sind nachhaltige Angebote für Unternehmen und Reisende? Welche Trends und Entwicklungen zeichnen sich im Corporate Travel ab? Diesen und anderen Fragen stellen sich die Inhaber Ludwig Stemmer, Christian Stemmer und Dominik Wolf.

Während der Corona-Pandemie lag die Geschäftsreise weitestgehend auf Eis. Nichts ging mehr. Inzwischen sind die Nordatlantik-Routen wieder geöffnet. Wie sieht’s aktuell aus?

Ludwig Stemmer: Die Öffnung der USA für Geimpfte Anfang November war - wenn man so will - der dringend erwartete Booster für das Corporate-Geschäft. Kein Wunder, denn was Mallorca für die Touristik ist, das sind die Staaten für unser Business. Zudem gab es einen erheblichen Nachholeffekt. Viele Geschäftsreisende saßen schon lange auf gepackten Koffern und sehnten den Tag herbei, an dem die Grenzen wieder aufgemacht wurden. Darunter viele Monteure und Spezialisten deutscher Maschinenbauer, die auf der anderen Seite des Atlantiks händeringend erwartet wurden. Videokonferenzen können Geschäftsreise eben in vielen Bereichen nicht ersetzen.

Dominik Wolf: Der Mittelstand ist deutlich früher wieder in die Flugsitze zurückgekehrt als die großen Konzerne. Die haben zumeist deutlich restriktivere Reisebeschränkungen und -regularien. Bei den USA liegen wir schon wieder bei 95% des Vorkrisenniveaus, das stimmt uns sehr positiv.

Was ist mit Asien? Und welchen Einfluss hat der Krieg in die Ukraine?

Christian Stemmer: China ist Corona-bedingt nach wie vor sehr schwierig zu erreichen. Das Geschäft in Asien köchelt daher noch auf Sparflamme vor sich hin. Und wer beispielsweise nach Japan fliegt, der muss aufgrund geänderter Flugrouten mit höheren Preisen rechnen.

Wieso?

Ludwig Stemmer: Das ist eine unmittelbare Folge des Ukraine-Krieges. Bestimmte Länder und Regionen können aus Sicherheitsgründen nicht mehr überflogen werden. Das treibt die Flugkosten in die Höhe. Wäre China offen, würde das noch viel stärker durchschlagen.

Der Business-Travel-Markt konsolidiert sich gerade mit hohem Tempo. Einige der klassischen TMC haben die Pandemie nicht überlebt. Gleichzeitig machen sich vollautomatisierte Start-ups zunehmend breit. Haben Sie keine Angst, dass sie von den Portalen überrollt werden?

Ludwig Stemmer: Nein, absolut nicht. Ich sehe uns trotz der Finanzstärke einiger großer digitaler Anbieter derzeit klar im Vorteil. Die Corporate-Portale verstehen bis heute nicht, wie persönlicher Service funktioniert. Und gerade in so bewegten Zeiten wie diesen kommt es genau darauf an. Reisen ist komplizierter geworden. Die Menschen sind extrem verunsichert und wünschen sich persönliche Beratung durch qualifizierte Reiseexperten anstatt standardisierte Chat-Bot-Antworten.

Christian Stemmer: Gerade die mittelständischen Unternehmer sind sich ihrer Verantwortung gegenüber ihren Mitarbeitern und deren Familien bewusst. Hier können wir als TMC wertvolle Dienste leisten, über Reisebestimmungen informieren, Risiken minimieren und dem Chef ein gutes Gefühl geben, wenn er seine Leute um die Welt schickt. Selten war der Servicebedarf vor, während und nach einer Reise so groß wie heute.

Auch wenn Beratung gerade jetzt wichtig ist, sind Geschäftsreise-Prozesse doch in hohem Maße standardisiert. Sind total durchdigitalisierte Start-ups hier nicht im Vorteil?

Dominik Wolf: Es ist absolut richtig, dass wir bei der Geschäftsreise einen hohen Anteil an standardisierten Prozessen haben. Aber auch wir schlafen beim Thema Digitalisierung nicht. Im Gegenteil. Unsere Technologiepartner SAP Concur oder onesto liefern uns hochprofessionelle und automatisierte End-to-End-Lösungen für das Travel & Expense Management, die u.a. automatisierte Reisekostenabrechnungen beinhalten. Effiziente und vergleichsweise kostengünstige Lösungen, angepasst an die Bedürfnisse des Mittelstands. Mit einem unkomplizierten „Plug & Play-Package“ bekommen unsere mittelständischen Kunden auf Wunsch alle wichtigen Bestandteile einer Geschäftsreise aus einer Hand und können gleich durchstarten.

Ludwig Stemmer: Auch unser Security Management basiert auf modernen digitalen Anwendungen. Unsere Unternehmerkunden bekommen ein Tool zur Reiseplanung, das weltweit tagesaktuelle Reiseinformationen liefert. Und wenn es irgendwo brenzlig wird, etwa in Krisengebieten oder bei Streiks, können wir oder das Travel Management der Firma per Knopfdruck alle Betroffenen lokalisieren und informieren. Unterm Strich haben wir also beides - Beratungs- und Technologiekompetenz. Nicht zuletzt deshalb sind wir unter dem Dach der LCC auch bestens aufgehoben, die mit ihrer Philosophie Touch & Tech seit vielen Jahren genau dafür steht.

Wie wichtig ist eigentlich das Thema Nachhaltigkeit bei Geschäftsreisen?

Ludwig Stemmer: Spätestens, seit die Bundesregierung das Klimaschutzprogramm auf den Weg gebracht hat, sind auch die Firmen zunehmend grün unterwegs. Insbesondere größere Unternehmen stellen sich mittlerweile ihrer Verantwortung….

Dominik Wolf: … und haben erkannt, dass der billigste Flug unter Berücksichtigung von CO2-Ausstoß und Kompensation am Ende nicht immer der günstigste ist. Immer mehr Travel Manager sind angewiesen, C02-neutral einzukaufen. Wir stellen uns darauf ein. Als Partner von LCC haben wir dieses Thema nicht nur in den Fokus von Beratung und Verkauf gerückt, sondern nehmen uns selbst in die Verantwortung. Mit der Unterzeichnung der LCC Nachhaltigkeitscharta verpflichten wir uns zur Klimaneutralität in den nächsten achteinhalb Jahren.

Workation, Bleisure oder Blended Travel - für das Zusammenwachsen von Urlaub und Arbeit im Zuge neuer flexibler Arbeitsmodelle werden immer neue Begriffe erfunden. Ist das ein kurzfristiger Hype oder ein relevantes Zukunftsthema für die Business-Travel-Branche?

Christian Stemmer: Corona hat das Arbeitsleben nachhaltig verändert. Die Grenzen zwischen Job und Privatem vermischen sich zusehends. Der private Urlaubstop in Thailand etwa, eingebettet zwischen zwei Dienstreisen in Asien, ist heute eher noch die Ausnahme, wird aber in einigen Jahren normal sein. Gemischten Reisen, daher der Name „Blended Travel“, gehört die Zukunft. Für uns sehe ich hier interes-sante Wachstumschancen, so wie ich ohnehin fest davon überzeugt bin, dass die Geschäftsreise alles andere als tot ist. Virtuelle Videokonferenzen sind nicht mehr wegzudenken, das ist völlig klar. So manch kurzer Business-Trip wird damit überflüssig. Aber dafür wird es mehr lange Reisen geben, wo Privates und Dienstliches ineinander übergehen. Denn eines ist sicher: Die Lust der Menschen auf Reisen bleibt.

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