Bevor es ins Restaurant zum Tischgespräch ging, ein Foto im ALR-Reisebüro: Ludwig Stemmer und fvw|TravelTalk-Redakteur Oliver Graue.

Tischgespräch mit Ludwig Stemmer, Inhaber der Lufthansa City Center ALR Travel Group in München. Für Ludwig Stemmer ist es wie ein zweites Wohnzimmer. "Man fühlt sich wohl hier", sagt er und nippt am Grünen Veltliner. Eine Empfehlung des Wirts, den Stemmer seit mehr als 20 Jahren kennt – und vertraut. "Tolle Qualität, tolle Weine", sagt er. Kein Wunder, dass der Nymphenburger Hof, ein Münchner Traditionslokal mit österreichischer Küche, auch privat zu den bevorzugten kulinarischen Adressen des 74-Jährigen gehört.

Eigentlich, sagt Stemmer dann, "eigentlich müsste ich ja nicht mehr". Er könnte nur noch genießen, dem Leben seinen Lauf lassen. Statt fast täglich in sein ALR-Reisebüro zu fahren. Macht er aber. "Mein Job bereitet mir Spaß", sagt er. Man nimmt es ihm ab.

Ein Urgestein der Touristik ist Stemmer, äußerst sympathisch und offen dazu. Seit 58 Jahren ist er in der Business-Travel-Branche tätig. Die größte Krise? Natürlich, Corona. Aber "ich habe alle Krisen mitgemacht, die es gab", sagt er. "Und aus jeder sind wir gestärkt hervorgegangen."

Steckbrief Ludwig Stemmer Karriere: Im bayerischen Altmühltal wurde Ludwig Stemmer 1949 geboren. Nach der Mittleren Reife ließ er sich im Firmendienst des Amtlich Bayerischen Reisebüros in München ausbilden. Als Niederlassungsleiter wechselte er 1970 zu Euro Lloyd. Acht Jahre später übernahm er die Geschäftsführung der Atlantik Luft Reederei in München, 1988 kaufte er das Unternehmen komplett. Seit 2008 ist Dominik Wolf an dem Reisebüro beteiligt, seit 2013 Stemmers Sohn Christian. Ludwig Stemmer agiert als geschäftsführender Gesellschafter und Sprecher der Geschäftsführung. Zudem wirkt er unter anderem im Business-Travel-Ausschuss des DRV mit. Privat: Stemmer lebt in der Nähe von München, ist verheiratet und hat einen Sohn.

Was sich seither alles geändert hat in der Geschäftsreise? "Wenn ich meinen Mitarbeitern davon erzähle, wie wir Airline-Tarife im Handbuch nachschlugen und manuell kalkulierten, dann staunen sie." Die Digitalisierung hingegen sieht er längst nicht am Ende: "KI wird die Arbeitswelt grundlegend verändern." Nur sie könne die stetig steigenden Arbeitskosten ausgleichen: "Wir müssen viel effizienter werden."

Das Reisen hat Stemmers Leben geprägt – in die Wiege gelegt war es ihm nicht. Geboren und aufgewachsen ist er im bayerischen Altmühltal. Als 16-Jähriger habe er "raus gewollt aus der Dorfidylle", erzählt er. Ein Freund riet ihm zur Ausbildung in einem Reisebüro in München. Hauptsache München. Seine Vater hätte lieber die Bank gesehen. Reisebüro? "Bei uns auf dem Dorf war das so etwas wie Zirkus."

Einer, der nie zu Ende geht. "Seither habe ich immer nur Reisebüro gemacht", sagt Stemmer – und strahlt Zufriedenheit aus. Und von Anfang an Business Travel: Im Amtlich Bayerischen Reisebüro organisierte er etwa Sonderzüge für Gastarbeiter. Danach arbeitete er für Euro Lloyd bis zur Übernahme durch Lufthansa 1978. "Zum Konzern wollte ich aber nicht."

So kam die fvw ins Spiel. Auf sein Stellengesuch meldete sich Hans-Joachim Bopst, Gründer der Atlantik Luft Reederei (ALR). Er akzeptierte Stemmers Wunsch, sich langfristig zu binden und Anteile an ALR zu übernehmen.

Daraus wurde 1988 die Gesamtübernahme. Und der Wahlmünchner machte aus einem Vier-Mitarbeiter-Reisebüro einen der größten privat geführten Business-Travel-Anbieter hierzulande. Ende 2021 wechselte er mit ALR von BCD zu LCC – "weil ich weiterhin Mittelstand sein möchte". Außer in München ist er heute mit Büros in Kempten, Stuttgart und Solingen vertreten.

Acht touristische Agenturen veräußerte er kurz vor Corona – er wollte sich auf Geschäftsreise konzentrieren: "im Nachhinein eine glückliche Entscheidung". Eine, die er nun ein Stück weit revidiert: Gemeinsam mit einem anderen LCC-Partner belebt er das Thema Touristik neu. "Wir haben 90.000 viel reisende Business Traveller", sagt er. "Die fragen auch nach Urlaubsreisen."

Privat Ludwig Stemmer besitzt einen Weinberg in Ungarn.

Reisen: Natürlich sei das auch sein Hobby, sagt er. Seit 2006 kommt es zu kurz. "Weil ich immer schon gern Wein trinke, wollte ich wissen, wie man ihn macht", erzählt er. Und dann vermittelte der längst verstorbene Karl Moik ("Musikantenstadl") einen Weinberg in Ungarn. Sechs- bis achtmal im Jahr ist Stemmer vor Ort, genießt seinen "Vina de la Casa", wie er ihn nennt. Die Sorte? "Hmm, alles mögliche. Ein Cuvée."

Zuvor stand jährlich Namibia auf seinem Reiseplan. Bei einem Fam Trip 1973 verliebte er sich in das Land. Sogar mit einer eigenen Farm liebäugelte er irgendwann.

Ebenso gern mag er den Norden – Finnland, Schweden, Norwegen, Island, Grönland. Natur und Ruhe habe er dort gefunden. Die bietet ihm nun sein Weinberg. "Dort sitzen, in die Landschaft schauen und den eigenen Wein genießen – besser kann man nicht Abstand gewinnen." „Reisebüro? Bei uns auf dem Dorf war das so etwas wie Zirkus.“


Ludwig Stemmer

Gedanken über die Branche Arbeitswelt: "Die Menschen haben nach Corona ihre Einstellung zum Job massiv geändert. Arbeit steht nicht mehr an erster Stelle."
Digitalisierung: "KI wird einen riesigen Einfluss auf die Geschäftsreise haben. Sie wird uns 08/15-Aufgaben abnehmen, die Mitarbeiter fokussieren sich auf Kundenkontakt. Allerdings werden dadurch die Anforderungen an Beschäftigte sehr viel höher sein." Geschäftsmodell: "Wir haben uns schon vor Corona als Premiumdienstleister positioniert. Preiskämpfe können wir nicht gewinnen. Aber der Mittelstand will Qualität und persönliche Ansprechpartner."
Branche gesamt: "Ende 2025 werden wir beim Umsatz wieder auf Vor-Corona-Niveau sein. Bei der Zahl der Transaktionen wird das nicht der Fall sein."

Quelle: FVW Medien/OG, Artikel vom Mittwoch, 19. Juni 2024. fvw|TravelTalk-Redakteur Oliver Graue.

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